Start Psychiatrie heute Seelisch Kranke Impressum

A. Jansch:
TAKTISCHE NOTFALLMEDIZIN
Grundlagen für den Rettungsdienst und die Anwendung bei Amoklagen
Verlag für Polizeiwissenschaft - Prof. Dr. Clemens Lorei, Frankfurt 2010. 263 S. 34,90 €.
ISBN 978-3-86676-126-1

Download als PDF

Ein Unfall, ein Überfall, kurz: ein Notfall. Irgendwo „draußen in der Welt“. In der Regel wäre man verloren, auf jeden Fall auf sich allein gestellt. Dagegen darf man in unseren Regionen auf schnelle Hilfe hoffen. Dafür sind Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr, Technischer Hilfsdienst u. a. ausgerüstet – und zwar bestens. Allerdings jeder für sich, speziell für seine konkreten Aufgaben, routiniert, erfahren, professionell geführt. So der Idealzustand, der aber glücklicherweise zumeist gegeben ist – wie gesagt: in unseren Regionen.

Es gibt aber noch Optimierungs-Bedarf. Und zwar vor allem dort, wo ungewöhnliche Situationen erst einmal verwirren, vielleicht sogar schockieren, auch die ansonsten gut trainierten Einsatzkräfte. Beispiel: Amok, und hier vor allem school-shooting, also der Amoklauf in einer Bildungseinrichtung, meist Schule. Das ist zwar glücklicherweise selten, nimmt aber zu. Derzeit ist Deutschland nach den USA das Land mit den meisten school-shootings.

Gerade in solchen Katastrophen-Situationen mit undurchschaubaren Konsequenzen, auf jeden Fall der Gefährdung einer erst einmal nicht überblickbaren Zahl von (oft auch noch jungen) Menschenleben, müssen auch neue Strategien durchdacht, konzipiert und schließlich trainiert werden. Um nur einen Punkt zu nennen: Im Gegensatz zu den bisherigen Anweisungen, das Eintreffen von Spezialkräften (der Polizei) abzuwarten, sollen inzwischen „Kontakt-„ und „Rettungs-Teams“ gebildet werden. Das Kontakt-Team hat hierbei die Aufgabe, nur auf den Täter einzuwirken und ihn aufzuhalten, Verletzte sollen dabei ignoriert werden. Diese werden vom Rettungs-Team lokalisiert und versorgt. Allerdings kann man sich vorstellen, dass eine solche Strategie auch auf Kritik, ja Widerstand stößt. Sicherlich ist es von Vorteil, schwer verletzte Personen schnellstmöglich adäquat medizinisch zu versorgen. Allerdings entspricht dies in solchen Fällen nicht der Routine des Rettungsdienstes, weil (bisher) nicht in die reguläre Ausbildung eingebunden. Auch darf man nicht vergessen, dass beispielsweise die Häufigkeit von Schuss- und Explosionsverletzungen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr gering ist. Auch hier gelten Besonderheiten. Weiterhin versorgt ein Team aus zwei Einsatzkräften in der Regel nur einen Patienten. Wie das bei mehreren, wahrscheinlich noch schwer Verletzten ausfallen soll, ist erst einmal unklar. Kurz: Die Notwendigkeit von schneller medizinischer Hilfe, wie sie üblicherweise garantiert ist, wirft bei Amokläufen neue Fragen auf. Und neue Konzepte der Kooperation, beispielsweise ein gemeinsames Training von Polizei und Rettungsdienst. So etwas gehört zur Taktischen Notfallmedizin, wie sie im militärischen Bereich üblich und im zivilen immer häufiger trainiert wird (englische Fachbegriffe: „Tactical Combat Casualty Care“ bzw. „Tactical Emergency Medical Support“). In den USA läuft dies bereits seit langem. In Deutschland gewinnt diese präklinische Notfallmedizin zunehmend an Bekanntheit.

In dem Buch Taktische Notfallmedizin von Arne Jansch wird in komprimierter und professioneller Weise dieses neue Konzept vermittelt. Das geht von generellen Hinweisen, vor allem was die medizinischen Grundlagen anbelangt (z. B. die Auswirkungen von Schussverletzungen bzw. die Wirkung ballistischer Schutzwesten, Explosionsverletzungen u. a.) über Grundlagen des Rettungsdienstes einschließlich Ausbildung im Rettungsdienst, materielle und personelle Ressourcen bis zu Lösungsansätzen, was die konkrete Zusammenarbeit von Polizei und Rettungsdienst anbelangt (vor allem beim Phänomen „Amok“ einschließlich Täter-Charakteristik). Die Hälfte des Buches ist der Ausbildung, den Techniken, der Ausstattung und dem Training gewidmet, wobei es vom Rettungsdienst-Alltag (Blutungen, Hypothermie, Patiententransport, Reanimation, Schmerztherapie) bis zu spezifischen Fragestellungen geht. Beispiele: Triage, Fern-Beurteilung, Reizgase usw. Schwerpunkte sind auf jeden Fall Schutz- und Explosionsverletzungen sowie die effektive Kontrolle von Blutungen. Die speziellen Rahmen-Bedingungen werden mit den Prinzipien moderner Trauma-Management-Systeme ausführlich aufgearbeitet. Vor allem aber auch die Versorgung bei Massen-Anfällen von Verletzten sowie die besonderen Probleme beim Patienten-Transport unter solchen Bedingungen.

Ein Buch für Fachleute, gewiss. Allerdings zum Schutz von Jedermann, wie der ernüchternde, ja Furcht einflößende Alltag zeigt. „Tactical Emergency Medical Support“, im anglo-amerikanischen Raum bereits ein eigenständiges Feld der präklinischen Notfallmedizin, offensichtlich nicht ohne Grund – und inzwischen dankenswerterweise auch bei uns zum Thema neuer kooperativer Ausbildungs-Strategien geworden (VF).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
Beachten Sie deshalb bitte auch unseren Haftungsausschluss (s. Impressum).